Die Entstehung der Reinoldigilde im Mittelalter liegt weitgehend im Dunkel der Geschichte verborgen. Wahrscheinlich entstand sie als Vereinigung der Fernkaufleute, vornehmlich aus dem Wein- und Tuchhandel, nach der Translation der Reinoldus-Reliquien von Köln nach Dortmund, die wir für das ausgehende 11. Jahrhundert ansetzen können. Durch einen Stadtbrand im Jahr 1231/1232 nämlich wurden alle Schriftquellen zur Geschichte Dortmunds vernichtet, so dass wir die Zusammenhänge nur mit hoher Wahrscheinlichkeit rekonstruieren können. Mit dem Einsetzen der Dortmunder Schriftquellen nach 1232 jedenfalls prägte die Reinoldigilde das städtische Leben: Allein Reinoldigildner waren zunächst Mitglieder des Stadtrats. Erstmals erwähnt wird die Reinoldigilde in der ältesten Aufzeichnung der städtischen Statuten und Rechtsgewohnheiten um 1254, die 2004, zum 750-jährigen Jubiläum, auch Anlass für einen Festakt der Reinoldigilde war. Bis 1400 sorgten sich die Reinoldigildner als Ratsherren um das Wohl und das Beste für unsere Stadt. Seit 1260 waren die „Sechsgilden“ der Handwerker an der jährlichen Ratswahl beteiligt, seit 1400 (und bis 1802) stellten diese auch die untersten sechs der 18 Ratssitze!
Als Fernhändler im Rahmen früher hansischer Aktivitäten waren Dortmunder Reinoldigildner im gesamten Ostseeraum präsent – sie waren in Novgorod oder Tallinn, in Riga, Rostock oder Bergen als Kaufleute vertreten, später auch in London, Brügge und Antwerpen. Das wissen wir nicht nur aus Schriftquellen, sondern auch aus den „Reinoldusbänken“ der Artushöfe in Danzig oder Thorn, aus Reinoldusskulpturen, etwa in Danzig, einem Reinoldusbild in Tallinn und ähnlichen Zeugnissen. Die Dortmunder Fernhändler der Gilde nahmen ihren heiligen Patron also mit auf die Handelsfahrten, die Handelsströme zwischen Ost und West, Nord und Süd vermittelten. Die Dortmunder Kaufleute handelten auch mit Dortmunder Exportware: Metallprodukte, zunächst aus Buntmetall, später aus Eisen und Stahl, waren überall gefragt!
Reinoldigildnern kam in Dortmund ein besonderes Zeugnisrecht zu und sie standen als die städtische Führungsschicht unter besonderem Schutz, wie einige Bestimmungen im Stadtrecht belegen. Zur Aufrechterhaltung des städtischen Friedens wurden Schlägereien unter Bürgern hart bestraft: Bei zugefügter Blauwunde (Prellung mit Bluterguss) wurde der Delinquent mit einer Zahlung von einer halben Mark für den Mauerbau der Stadt, von je zwei Schilling an den Rat und an den Richter sowie von drei Schilling an den Verletzten bestraft. War der Verletzte ein Reinoldigildner, musste der Täter zudem ein Ohm Wein (rund 150 Liter) an den Rat zahlen. Diese Strafen konnten einen Handwerker durchaus in den Ruin treiben.
Der Heilige Reinoldus ist Dortmunds Patron. Seine Statue finde sich u. a. in der Reinoldikirche. Die Figur ist aus Holz und stammt aus dem 14. Jahrhundert. Ebenso wie die Entstehungsgeschichte der Reinoldigilde liegt auch die Lebensgeschichte des Reinoldus weit gehend im Dunkel. Die Reinoldikirche selbst wird erstmals unter diesem Namen im Jahre 1262 urkundlich genannt. Errichtet wurde sie zwischen 1250 und 1275. Nach dem Zweiten Weltkrieg fanden sich allerdings die Fundamente einer Vorgängerkirche, die nach archäologischen Forschungen auf die Zeit 953 – 965 schließen lassen. Sie enthielt bereits eine Krypta als Grablage für einen Heiligen. Das lässt die Vermutung zu, dass Reinoldus bereits im 10. Jahrhundert in Dortmund verehrt wurde.
Um 1340 verschwindet die Reinoldigilde aus den Quellen – der Stadtpatron war sozusagen kommunalisiert worden und vom Gildeheiligen schon längst zum Patron und Beschützer aller Dortmunder geworden. Die ehemaligen Gildner schlossen sich in der Junkergesellschaft zusammen, die auf dem Richthaus tagte. Nach wie vor waren dort die Patrizier als Fernkaufleute in einer Korporation vereinigt.